Tabaksteuer: Geänderte Auffassung von BMF und GZD: Tabaksteuer auf entrippte oder zerkleinerte Tabakblätter

In einer zumindest sehr kontroversen Auslegung, die bald die Gerichte beschäftigen wird, vertritt die deutsche Finanz-/Zollverwaltung seit kurzem die Auffassung, dass allein dadurch, dass ein Tabakblatt entrippt und/oder zerkleinert wird ein Steuergegenstand entsteht und Tabaksteuer fällig wird. BMF und GZD berufen sich dabei – zu Unrecht – auf das EuGH-Urteil vom 06.04.2017 – C-638/15 – Eko-Tabak. Die gesamte Tabakbranche ist verunsichert. Das Entrippen oder Zerkleinern von Tabakblättern ist danach eine Herstellung von Tabakwaren ohne Erlaubnis. Tabak-Strips können nicht mehr gesetzeskonform befördert werden, ohne dass eine Tabaksteuer entsteht, weder – wie bisher – außerhalb des europaweit geltenden EMCS-Verfahrens noch – mangels dort zulässiger Warennummer –  innerhalb des EMCS-Verfahrens. Ein Verkauf von Tabak-Strips an Verbraucher ist nicht mehr möglich, da es sich um einen Steuergegenstand handelt, der nach den Vorschriften des Tabaksteuergesetzes versteuert sein muss. Erzeugern, Händlern und Produzenten aber auch Verbrauchern drohen hohe Steuerforderungen. Bestände wurden beschlagnahmt und Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet.

Rohtabak ist kein Steuergegenstand

Rohtabak ist in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2011/64/EU des Rates über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (Tabaksteuerrichtlinie) und in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des deutschen Tabaksteuergesetzes (TabakStG) nicht als Tabakware bezeichnet und somit auch kein Steuergegenstand (EuGH v. 17.06.2010 C-550/08-British American Tobacco (Germany), Slg. 2001 I-5515, Rz. 22). Hierunter fallen nach einhelliger Auffassung ganze Tabakblätter und Teile davon.

BMF und GZD vertreten nun – als einziger EU-Mitgliedstaat – die Auffassung, nur ganze Tabakblätter stellten Rohtabak dar, nicht jedoch entrippte, zerkleinerte oder zerbröselte Tabakblätter. Letztere seien bereits Rauchtabak.

Nur Rauchtabak im Sinne des Gesetzes ist Steuergegenstand

Die Tabaksteuer ist eine harmonisierte Verbrauchsteuer. Der Steuergegenstand ist in Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2011/64/EU des Rates über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (Tabaksteuerrichtlinie) und in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des deutschen Tabaksteuergesetzes (TabakStG) geregelt. Rauchtabak (Feinschnitt und Pfeifentabak) ist danach: geschnittener oder anders zerkleinerter oder gesponnener oder in Platten gepresster Tabak, der sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet.

Industrielle Bearbeitung bezeichnet gemeinhin die üblicherweise in großem Maßstab anhand eines standardisierten Verfahrens stattfindende Umwandlung von Rohstoffen in materielle Güter (EuGH v. 06.04.2017 – C-638/15 – Eko-Tabak). Der Rohstoff getrocknete Tabakblätter wird üblicherweise in großem Maßstab anhand des standardisierten Verfahrens der Fermentation in das materielle Gut Rauchtabak (Pfeifen- oder Zigarettentabak) umgewandelt. Soll Wasserpfeifentabak hergestellt werden, wird Rohtabak in großen Mischmaschinen mit den Zutaten Melasse und Glycerin vermischt. Er ist deutlich feuchter als Pfeifen- oder Zigarrentabak.

Entrippte und / oder zerkleinerte Tabakblätter kein Rauchtabak im Sinne des Gesetzes

BMF und GZD vertreten die Auffassung, entrippte oder anders zerkleinerte Tabakblätter seien Rauchtabak, da sie nach einfacher Bearbeitung durch Zerkleinerung oder händisches Schneiden, also ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen geeignet seien und damit die Definition des “Rauchtabaks” in Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 lit. a Tabaksteuerrichtlinie und § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabakStG erfüllten. Dabei berufen sie sich auf das EuGH-Urteil vom 06.04.2017 – C-638/15 – Eko-Tabak.

Diese Auffassung von BMF und GZD ist bereits in sich widersprüchlich. Auch ganze Blätter eignen sich nach einfacher Bearbeitung durch Zerkleinerung oder händisches Schneiden, also ohne weitere industrielle Verarbeitung zum Rauchen. Ganze Tabakblätter stellen jedoch auch nach Auffassung von BMF und GZD keinen Rauchtabak im Sinne des Gesetzes dar. Zudem setzen  Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 lit. a Tabaksteuerrichtlinie und § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabakStG voraus, dass keine “weitere” industrielle Bearbeitung erforderlich ist, dass also bereits eine erste industrielle Bearbeitung erfolgt ist.

Zu Unrecht berufen sich BMF und GZD zur Begründung ihrer Auffassung auf das EuGH-Urteil vom 06.04.2017 – C-638/15 – Eko-Tabak. Die im EuGH- Urteil zu beurteilende Ware wird dort wie folgt beschrieben: „Im vorliegenden Fall haben die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren, wie aus dem Vorlagebeschluss hervorgeht, einen ersten Trocknungsprozess durchlaufen und wurden anschließend kontrolliert feuchtgehalten, enthalten Glycerin und sind nach einfacher Verarbeitung durch Zerkleinerung oder händisches Schneiden zum Rauchen geeignet. Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht erfüllen diese Waren also auch die zweite in Rz. 25 des vorliegenden Urteils genannte Voraussetzung und fallen somit unter den Begriff “Rauchtabak“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/64.“ Im EuGH-Urteil handelte es sich also um Wasserpfeifentabak (Shishatabak), bei dem der Rohtabak bereits eine „industrielle Bearbeitung“ in Form von Vermischung mit Glycerin und kontrolliertem Feuchthalten erfahren hat und dadurch ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen geeignet ist. Diese Ware ist also nicht mit lediglich zerkleinerten Tabakblättern vergleichbar. Vielmehr betont der EuGH in seinem Urteil in Rz. 25 sogar, dass neben dem Zerkleinern noch eine weitere Voraussetzung vorliegen muss.

Fazit:

Es ist damit zu rechnen, dass die Gerichte die Auslegung von BMF und GZD für rechtswidrig erklären werden. Aktuell sollten Erzeuger und Händler, die nur Tabak-Strips zu Verarbeitungsbetrieben oder anderen Steuerlagern befördern wollen, ohne dass eine Steuer entsteht, soweit noch nicht erfolgt, ein Steuerlager einrichten und vom HZA vor der Durchführung von Transporten schriftlich bestätigen lassen, dass keine Steuer entsteht, auch wenn die Transporte außerhalb des EMCS-Verfahrens erfolgen. Händlern, die nur Rohtabak verkaufen ist zu raten, bis auf weiteres nur ganze Tabakblätter zu verkaufen.