Das Hauptzollamt (HZA) hatte Zollanmeldungen angenommen und ging dabei aufgrund einer rechtlichen Bewertung davon aus, dass Verbote und Beschränkungen der Zollanmeldung nicht entgegenstehen. Obwohl die Waren (Munition) unter das Russland-Embargo fallen, sah das HZA keinen Verstoß gegen das Russland -Embargo, da auf die Einfuhren im konkreten Fall die Altvertragsklausel anwendbar sei. Später änderte das HZA seine rechtliche Auffassung dahingehend, dass die Annahme der Zollanmeldung doch gegen Verbote und Beschränkungen verstößt, weil die Einfuhren doch nicht unter die Altvertragsklausel fallen. Daraufhin erklärte das HZA den Widerruf der Annahme der Zollanmeldungen.
Umdeutung der “Rücknahme” der Annahme der Zollanmeldungen in “Widerruf”
Auf den vorliegenden Fall sind die Vorschriften des Unionszollkodex (UZK) anwendbar, weil die Zollanmeldungen nach dem 01.05.2016 abgegeben wurden.
Das HZA hatte eine “Rücknahme” der Annahme der Zollanmeldungen erklärt. Die Rücknahme hat ex-tunc Wirkung (Art. 27 Abs. 3 UZK). Die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach Art. 27 Abs. 1 UZK lagen jedoch nicht vor. Die Entscheidungen über die Annahme der Zollanmeldungen wurden nicht auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Informationen getroffen. Die Annahmen der Zollanmeldungen wurden vielmahr aufgehoben, weil sich die rechtliche Bewertung des der Einfuhr zu Grunde liegenden Kaufgeschäfts geändert hatte.
Das HZA hätte jedoch einen “Widerruf” der Annahme der Zollanmeldungen gem. Art 28 Abs. 1 UZK erklären können. Der Widerruf hat ex-nunc Wirkung, wird also erst ab Bekanntgabe wirksam (Art. 28 Abs. 4 UAbs. 1 i. V. m. Art. 22 Abs. 4 Satz 1 UZK). Nach Art. 28 Abs. 1 UZK wird eine begünstigende Entscheidung, zu der auch die Annahme der Zollanmeldung gehört, außer in den Fällen ders Art. 27 UZK widerrufen, wenn eine Voraussetzung für ihren Erlass nicht erfüllt war.
Nach der Entscheidung des FG Hamburg ist eine Umdeutung derr Rücknahmen in Widerrufe möglich. Sowohl die Rücknahme (Art 27 Abs. 1 UZK) als auch der Widerruf (Art. 28 Abs. 1 UZK) sind gebundene Entscheidungen. Da die Rücknahme ex-tunc-Wirkung hat, derr Widerruf dagegen errst ab Bekanntgabe wirksam wird, stellt derr Widerruf eine weniger beeinträchtigende Maßnahme dar.
Vorliegend ist der Tatbestand des Art. 28 Abs. 1 Buchst. a) UZK erfüllt. Die Voraussetzungen für die Annahme der Zollanmeldungen lagen nicht vor.
Nach Art. 172 Abs. 1 UZK werden Zollanmeldungen, die die Anforderungen des Kap. 2 von Titel 5 UZK (Art. 158 ff. UZK) erfüllen, von den Zollbehörden unverzüglich angenommen.Zwar erfüllen die Zollanmeldungen grundsätzlich die Voraussetzungen des Art. 158 ff. UZK. Sie unterliegen jedoch der zollamtlichen Überwachung (Art. 134 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 1 UZK). Hierzu gehören auch Verbote und Beschränkungen (Art. 134 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 UZK). Hieraus folgt, dass die Zollstellen die Annahme der Zollanmeldung ablehnen müssen, wenn Verbote und Beschränkungen entgegenstehen (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 ZollVG).
Reichweite der Altvertragsklausel beim Russland-Embargo
Vorliegend könnte die Überführung der hier in Rede stehenden Waren (Munition) aus dem Zolllager in den zollrechtlich freien Verkehr (Art. 201 UZK) – Einfuhren im Sinne des Außenwirtschaftsrechts (§ 2 Abs. 11 S. 2 Nr. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes vom 06.06.2013; BGBl. I 2013, 1482) dem Importverbot des § 77 Abs. 1 Nr. 6 AWV unterliegen und die Ausnahmevorschrift des §§ 77 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AWV nicht zur Anwendung kommen.
Nach § 77 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) in der Fassung der 7. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 19.12.2016 gilt das Einfuhrverbot nach § 77 Abs. 1 AWV nicht für Güter, deren Lieferung der Erfüllung von Verträgen oder Vereinbarungen dient, die vor dem 01.08.2014 geschlossen wurde (Altverträge).
Wie weit reicht diese Altvertragsklausel? Gilt sie auch für die Lieferungen aufgrund eines Rahmenvertrags?
Das FG Hamburg hat zunächst entschieden, dass zwischen den Begriffen “Verträgen” und “Vereinbarungen”, die in § 77 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AWV nebeneinanderr genannt werden, kein sachlicher Unterschied besteht.
Unter die Altvertragsklausel des § 77 Abs. 4 Nr. 2 AWV fällt nach der Entscheidung des FG Hamburg nur die Erfüllung von konkreten schuldrechtlichen Leistungspflichten, die vor dem Stichtag begründet wurden.
Die Erfüllung eines Rahmenvertrages, der vor dem Stichtag geschlossen wurde fällt danach nicht unter die Altvertragsklausel, wenn die Verpflichtung zur Lieferung der Ware von weiteren Handlungen der Vertragsparteien abhängt und diese Handlungen nach dem Stichtag erfolgten.
FG Hamburg, Beschl. v. 01.03.2017, 4 V 23/17