Hinterziehung von Zoll: Steuerhehler ist nicht Zinsschuldner (FG Hamburg 13.09.18, 4 K 122/17)

Hinterziehung von Zoll

Voraussetzung für die Inanspruchnahme für Hinterziehungszinsen gem. § 235 Abs. 1 AO ist zunächst, dass Zoll bzw. Steuern hinterzogen wurden. Unbekannte Dritte hatten Zigaretten, die aus Weißrussland stammen, unter Verstoß gegen die Beförderungs- und Gestellungspflicht ins EU-Zollgebiet verbracht, so dass der Zoll verkürzt worden war. Im Hinblick auf die 26.000 Zigaretten, um die es hier ging, wurde Zoll hinterzogen. Dies ist der Fall, wenn die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und hierdurch Steuern verkürzt worden sind (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Eine steuerlich erhebliche Tatsache ist der Umstand, dass sich Waren unter Verstoß gegen die Beförderungspflichten (Art. 38 Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. EG L 302/1; Zollkodex – ZK) und die Gestellungspflicht (Art. 40 ZK) im EU-Zollgebiet befinden und damit nicht der zollamtlichen Überwachung unterliegen (FG Hamburg, Urteil vom 29.05.2008, 4 K 395/07, juris, Rn. 17; FG München, Urteil vom 30.05.2006, 14 K 2469/03, juris, Rn. 28). Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt.

Der Kläger hatte die Zigaretten angekauft. Allerdings beging der Kläger beim Ankauf der Zigaretten keine Steuerhinterziehung. Er hatte – ungeachtet der Zollschuldentstehung nach Art. 202 Abs. 3, 3. Anstrich ZK, der auf den Besitz abstellt – keine zollschuldrechtlichen Erklärungspflichten. Insbesondere war er nicht gestellungspflichtig gemäß Art. 40 S. 1 ZK. Er hat nämlich die Zigaretten weder ins Zollgebiet verbracht, noch hat er die Verantwortung für ihre Weiterbeförderung übernommen.

Zinsschuldner für Hinterziehungszinsen

Fraglich ist, ob der Beklagte Zinsschuldner für die Hinterziehungszinsen war. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind (§ 235 Abs. 1 S. 2 AO). Vorteil ist nur der unmittelbar aus der Hinterziehung erwachsende Steuervorteil (BFH, Urteil vom 11.05.1982, VII R 97/81, BFHE 136, 182, juris, Rn. 15). Zu wessen Gunsten Steuern hinterzogen worden sind, richtet sich danach, wer die Steuern schuldet (Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 235 AO, Stand August 2015, Rn. 29; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 235 AO, Stand Januar 2016, Rn. 13). Zugunsten des Klägers wurde der Zoll nicht hinterzogen. Wie oben dargelegt, hat der Kläger keine Steuerhinterziehung begangen. Aus der von unbekannten Personen durch die Verbringung begangenen Steuerhinterziehung hat er keinen unmittelbaren Steuervorteil. Beim vorschriftswidrigen Verbringen der Zigaretten war der Kläger nämlich noch nicht Zollschuldner, weil er an der Verbringung selbst nicht mitgewirkt hat. Zollschuldner wurde er erst durch Inbesitznahme der Zigaretten (siehe das Urteil des Senats vom 13.09.2018, 4 K 124/17, Ziff. 1.3). Der einzige Vorteil, den der Kläger aus der Hinterziehung hatte, war die Möglichkeit, die geschmuggelten Zigaretten zu erwerben. Dies ist jedoch nur ein tatsächlicher Vorteil, der steuerschuldrechtlich nicht relevant ist. Der Käger war somit nicht Schuldner der Hinterziehungszinsen.

Führt nicht die Begehung einer Steuerhehlerei zur Inanspruchnahme für Hinterziehungszinsen?

Der Umstand, dass der Kläger durch den Erwerb der Zigaretten eine Steuerhehlerei im Sinne von § 374 Abs. 1 AO begangen hat (siehe hinsichtlich der Tabaksteuer das Senatsurteil vom 13.09.2018, 4 K 121/17), ist für die Inanspruchnahme nach § 235 Abs. 1 AO nicht relevant. Alle nicht in § 235 Abs. 1 S. 1 AO genannten Straftatbestände, insbesondere Steuerhehlerei, lösen keine Zinspflicht aus (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 235 AO, Stand Januar 2016, Rn. 3; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 235 AO, Stand August 2015, Rn. 13). Wäre es anders, würde also der Steuerhehler über § 235 AO die Hinterziehungszinsen schulden, wäre § 71 AO überflüssig (so bereits BFH, Urteil vom 11.05.1982, VII R 97/81, BFHE 136, 182, juris, Rn. 15). Nach dieser Vorschrift haftet nämlich der Steuerhehler für die Zinsen nach § 235 AO. Der Kläger könnte mithin über § 71 AO i. V. m. § 235 AO in Anspruch genommen werden. Die Frage nach der Exklusivität von Schuld und Haftung (siehe hierzu das Senatsurteil vom 13.09.2018, 4 K 121/17) würde sich nicht stellen, da – wie dargelegt – der Kläger gerade nicht Zinsschuldner gemäß § 235 Abs. 1 S. 2 AO ist.